EuGH: Deutsche Kündigungsfristen unzulässig

Rechtsnews von Jürgen Schütt

Ursprünglich wollte man Unternehmen etwas Gutes tun. Zwar sollten die Kündigungsfristen verlängert werden, aber nicht für alle. Jüngere Menschen sollten schneller entlassen werden können als ältere, weil es ihnen nach Ansicht des Gesetzgebers leichter ist, einen neuen Arbeitsplatz zu finden. Deswegen wurden 1926 Kündigungsfristen im BGB eingeführt, die nach Beschäftigungsjahren gestaffelt sind, bei denen allerdings nur die Zeiten ab dem 25. Lebensjahr berücksichtigt werden.

Der damals eingeführte § 622 BGB gilt bis heute. Inzwischen gibt es aber die Antidiskriminierungs-Richtlinie der EU, nach der kein Arbeitnehmer wegen seines Alters benachteiligt werden darf. Und dagegen, so hat jetzt der Europaische Gerichtshof in Luxemburg entschieden, verstößt § 622 BGB. Deutsche Arbeitsgerichte dürfen die Fristen so nicht mehr anwenden (EuGH, 19.1.2010, Az: C-555/07).

Das bedeutet: Mitarbeiter können längere Kündigungsfrist einklagen. Die Arbeitsgerichte dürfen die Regelung des § 622 BGB nicht mehr uneingeschränkt anwenden. Die Kündigung bleibt zwar gültig. Das Arbeitsverhältnis endet aber erst zu einem späteren Zeitpunkt.

Ist beispielsweise eine Mitarbeiterin seit ihrem 18. Lebensjahr beim selben Arbeitgeber beschäftigt und wird ihr nach 10 Jahren gekündigt, gilt folgendes. Nach § 622 BGB werden bei der Berechnung der Kündigungsfrist lediglich die Beschäftigungsjahre ab dem 25. Lebensjahr berücksichtigt – hier also nur 3 Beschäftigungsjahre. Die Kündigungsfrist beträgt demnach 1 Monat. Nach dem EuGH-Urteil müssen nun die vollen 10 Beschäftigungsjahre berücksichtigt werden. Die Kündigungsfrist muss deshalb 4 Monate betragen! Die Mitarbeiterin muss also 3 Monate länger beschäftigt und bezahlt werden.

Achtung: kleiner Unternehmen können arbeitsvertraglich eine Sonderregelung nutzen. Werden regelmäßig nicht mehr als 20 Mitarbeiter beschäftigt, kann die Kündigungsfrist generell auf 4 Wochen beschränkt werden (§ 622 Abs. 5 BGB). Das muss allerdings im Arbeitsvertrag geregelt sein.

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