Beratungshilfe: Postpauschale auch bei Beratung möglich

Amtsgericht Magdeburg, Beschluss vom 18.09.2005 - 10 UR II 4697/04
Rechtsprechung

Die Geltendmachung der Pauschale nach Nummer 7002 VV RVG ist auch in Beratungshilfeangelegenheiten nicht ausgeschlossen. Ein weiterer Nachweis als die anwaltliche Versicherung kann nicht verlangt werden.

Gründe

Das Amtsgericht Magdeburg bewilligte am 05. Oktober 2004 der Betroffenen Beratungshilfe für die Prüfung der Durchsetzung einer Forderung gegen einen Rechtsanwalt. Hierauf beauftragte diese die Rechtsanwälte N. mit der Wahrnehmung ihrer rechtlichen Interessen.
Am 06. Oktober 2004 beantragten die Rechtsanwälte N. die Festsetzung und Auszahlung der Gebühren in Höhe von insgesamt 41,76 Euro, bestehend aus einer Beratungsgebühr gemäß Nr. 2601 VV zum RVG in Höhe von 30,00 Euro und einem Entgelt für Post- und Telekommunikationsleistungen gemäß Nr. 7002 VV zum RVG in Höhe von 6,00 Euro zuzüglich Mehrwertsteuer in Höhe von 16 %.
Mit Beschluss vom 14. April 2005 setzte das Amtsgericht Magdeburg -Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle- die aus der Staatskasse zu zahlenden Gebühren und Auslagen auf 34,80 Euro fest. Abgesetzt wurden die Auslagen für Post und Telekommunikation in Höhe von 6,00 Euro, da hierfür kein Nachweis erbracht worden sei. Aus der Aktenlage lasse sich auch nicht entnehmen, dass das Entstehen der berechneten Post- und Telekommunikationsgebühr erforderlich gewesen sei.
Hiergegen richtet sich die Erinnerung des Antragstellers vom 21. April 2005, der das Amtsgericht Magdeburg -Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle- nicht abgeholfen hat.
Der Vertreter der Landeskasse hat beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen, da bei mündlicher Ratserteilung eine Post- und Telekommunikationspauschale regelmäßig nicht anfalle.

Die gemäß § 56 Abs.1 RVG zulässige Erinnerung ist auch begründet. Dem Antragsteller steht der Ersatz der als Pauschale geltend gemachte Auslagen für Post und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Nr. 7002 VV zum RVG in Höhe von 6,00 Euro zu.
Gemäß § 55 Abs.5 Satz 1 RVG i.V.m. § 104 Abs.2 Satz 1 ZPO muss der Antragsteller grundsätzlich die Vergütungsforderung nach Grund und Höhe glaubhaft machen. Nach § 104 Abs.2 Satz 2 ZPO genügt es zur Berücksichtigung eines Ansatzes, dass der Anwalt wegen der Auslagen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen versichert, dass diese auch tatsächlich entstanden sind. § 104 Abs.2 Satz 2 gilt über die Verweisung in § 55 Abs.5 Satz 1 RVG auch für das Festsetzungsverfahren in Beratungshilfeangelegenheiten (Hartmann, Kostengesetze, 35. Auflage, § 55 RVG Rn. 13). Wählt also der Anwalt die Pauschale nach Nr. 7002 VV zum RVG, genügt der Hinweis, dass sie entstanden ist (von Eicken in: Rechtsanwaltsvergütungsgesetz, 16. Auflage, § 55 Rn. 14).
Die Geltendmachung der Pauschale für Entgelte für Post und Telekommunikationsdienstleistungen gemäß Nr. 7002 VV zum RVG ist auch in Beratungshilfeangelegenheiten nicht per se ausgeschlossen (vgl. Kommentierung zu § 26 BRAGO, der inhaltlich in Nr. 7001 und 7001 VV zum RVG aufgegangen ist: von Eicken in: Gerold/Schmidt/v.Eicken/Madert, BRAGO, 13. Auflage. § 26 Rn. 13). Der Pauschsatz nach Nr. 7002 VV zum RVG kann durch den Anwalt in jeder Angelegenheit anstelle der tatsächlichen Auslagen gefordert werden, Das gilt auch dann, wenn die tatsächlichen Unkosten nicht annähernd die Pauschale erreichen oder wenn nur ein mündlicher Rat erteilt wird (Hartmann, a.a.O., Nr. 7002 VV Rn. 4). Zwar mag es in Beratungshilfeangelegenheiten bei einer bloßen Raterteilung im Einzelfall fraglich erscheinen, ob die Postgebühren überhaupt entstanden sind (so Göttlich/Mümmler, Stichwort „Beratungshilfe“, Anmerkung 8). Allerdings ist es im Hinblick auf die -oben dargelegte- Regelung des § 104 Abs.2 Satz 2 ZPO nicht veranlasst, einen weiteren Nachweis als die anwaltliche Versicherung zu verlangen. Dies gilt umso mehr, wenn lediglich Pauschgebühren und nicht über Gebühr hohe Auslagen geltend gemacht werden. Der Wert einer anwaltlichen Versicherung darf insoweit nicht zu gering bemessen werden, denn schließlich können den Rechtsanwalt im Falle einer falschen anwaltlichen Versicherung die Folgen des § 263 StGB treffen.

Vorliegend hat der Antragsteiler mit Schriftsatz vom 16. März 2005 die Entstehung der Auslagen gemäß VV 7002 zum RVG anwaltlich versichert. Ihm war daher aus den vorgenannten Erwägungen der Pauschsatz in Höhe von 6,00 Euro zu gewähren und der Ersatz der Gebühren und Auslagen antragsgemäß auf insgesamt 41,76 Euro festzusetzen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs.2 Satz 2 RVG. Da die Angelegenheit nicht von grundsätzlicher Bedeutung ist, war die Beschwerde nicht gemäß §§ 56 Abs.2, 33 Abs.3 Satz 2 RVG zuzulassen.

Anmerkung

Das Beratungshilfeverfahren ist von seiner Grundkonzeption her als einfaches, unbürokratisches und unkompliziertes Verfahren ausgestaltet. Praktiker haben meist andere Erfahrungen sammeln müssen: die Notwendigkeit gefertigter Ablichtungen wird bezweifelt, das Betreiben des Geschäfts in Frage gestellt, eine Einigung geleugnet. Glaubhaftmachung muss dem Strengbeweis weichen.

Wer sich zur Wehr setzen will, scheitert meist am Wert der Beschwer oder erhält einen Beschluss, dessen Begründung sich darin erschöpft, dass die Beschwerde aus den zutreffenden Gründen der angefochtenen Entscheidung zurückgewiesen wird.

Eine der wenigen Ausnahmen der traurigen Regel ist die Entscheidung des Amtsgerichts Magdeburg, in der eine Richterin der gesetzeswidrigen Praxis im Festsetzungsverfahren ein Ende setzte. Sämtliche Rechtspfleger vertraten in trauter Gemeinsamkeit mit dem Vertreter der Staatskasse über Jahre die Auffassung, dass "bei einer Gebührentätigkeit gemäß § 44 Nr. 2601 VV RVG (Rat/Auskunft) grundsätzlich keine Auslagen gemäß Nr. 7002 VV RVG entstehen". Im übrigen seien Nachweise über das Entstehen von Post- und Telekommunikationsauslagen vorlegen. Eine anwaltliche Versicherung reiche zur Glaubhaftmachung nicht aus.

Die Richterin hat der Rechtsauffassung der Festsetzungsbeamten in der vorstehenden Entscheidung zutreffend eine Absage erteilt. Denn § 55 Abs. 5 Satz 1 RVG regelt eindeutig, dass § 104 Abs. 2 ZPO für die Beratungshilfefestsetzung entsprechend gilt. § 104 Abs. 2 ZPO wiederum bestimmt, dass für eine Berücksichtigung der Auslagen die Versicherung des Anwalts genügt, dass die Auslagen entstanden sind. Die anwaltliche Versicherung ist also zur Berücksichtigung des Ansatzes ausreichend. Deswegen war in den Anträgen auf Festsetzung der BRAGO-Beratungshilfevergütung entsprechend der Beratungshilfe-Vordruckverordnung die Formulierung enthalten, dass der die Festsetzung beantragende Rechtsanwalt das Entstehen und die Höhe der Auslagen versichert. Es ist davon auszugehen, dass sich eine gleich lautende Formulierung auch in den noch nicht eingeführten RVG-Vordrucken befinden wird.

Ein sachlicher Grund, weswegen im Beratungshilfe-Festsetzungsverfahren strengere Anforderungen an die Glaubhaftmachung zu stellen wären als im gerichtlichen Kostenfestsetzungsverfahren, ist nicht ersichtlich. Dies widerspräche auch dem Sinn und Zweck des Beratungshilfeverfahrens, das einen schnellen und effektiven Rechtsschutz gewähren und nicht durch formalistische Kleinigkeiten verkompliziert werden soll.

Darüber hinaus existiert weder tatsächlich noch in der Literatur oder Judikatur ein Grundsatz, dass bei einer beratenden Tätigkeit keine Post- und Telekommunikationsauslagen entstehen. Diese immer wieder autauchende Behauptung wird auch durch ständige Wiederholung nicht richtig.

Post- und Telekommunikationsauslagen können selbstverständlich auch bei einer Beratung auf vielfältige Art und Weise entstehen:

  1. es wird mittels Rückruf telefonisch ein Beratungstermin vereinbart;
  2. ein vereinbarter Termin wird telefonisch verlegt;
  3. der Rechtsuchende wird telefonisch gebeten, bestimmte Unterlagen zur Beratung mitzubringen;
  4. ein telefonisch vereinbarter Beratungstermin wird schriftlich bestätigt;
  5. der Inhalt der Beratung wird schriftlich zusammen gefasst und dem Rechtsuchenden zugesandt;
  6. fehlende Unterlagen werden schriftlich angefordert;
  7. dem Rechtsuchenden werden schriftlich Verjährungs- und Haftungsvermeidende Hinweise gegeben.


Aus der Erstberatungsregelung in Nummer 2102 VV RVG wie auch aus der Vorgängerregelung in § 20 Abs. 1 Satz 2 BRAGO ist bekannt, dass eine Beratung auch mehrfach und über einen längeren Zeitraum erfolgen kann. Maßgeblich für die Entscheidung der Frage, ob die anwaltliche Tätigkeit mit einer Beratungsgebühr oder mit einer Geschäftsgebühr abzugelten ist, ist nämlich der erteilte Auftrag. Erfolgt kein Vertretungsauftrag, bilden alle Beratungen in einer Angelegenheit, die nicht länger als zwei Jahre auseinanderliegen, eine gebührenrechtliche Angelegenheit, § 15 Abs. 5 Satz 2 RVG. Es dürfte daher absolut üblich sein, dass nach einer erfolgten Beratung, mit der die Sache jedoch nicht endgültig abgeschlossen werden konnte, einige Wochen später telefonisch oder schriftlich beim Rechtssuchenden nachgefragt wird, ob die Sache sich erledigt und die Akte abgerechnet und abgelegt werden kann.

Aus diesem Grund besteht m.E. ein der Auffassung der Festsetzungsbeamten umgekehrter Erfahrungsschatz: auch bei einer beratenden Tätigkeit entstehen regelmäßig nach Nummer 7001, 7002 zu vergütende Auslagen.

Zurück